Änderungen in den Köpfen entscheiden

04.03.2010: Akademischer Aufbau Afghanistans muss stärker gefördert werden von Swen Schulz, MdB, stellv. Sprecher der AG Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion

Afghanistan aufbauen - die meisten von uns denken da natürlich zuerst an Straßen und Brunnen, an Polizei- und Militärausbildung, vielleicht noch an Wirtschaftshilfe und Schulbau. Hajar Mobarez denkt weiter. Die junge Frau aus Afghanistan ist Stipendiatin des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) im Studiengang "Good Governance Afghanistan". Sie bereitet sich derzeit an der Universität Erfurt auf den Master-Studiengang "Public Policy" an der Willy-Brandt-School of Public Policy vor. Als Mitglied des "Young Leaders Forum" der Friedrich-Ebert-Stiftung erhält sie neben dem Studiengang Anregungen und internationale Kontakte. Hajar Mobarez will sich einsetzen im neuen Afghanistan. Für die Menschen. Auf Einladung des DAAD hat Hajar Mobarez gemeinsam mit weiteren Studierenden und jungen Wissenschaftlern vor kurzem Mitgliedern des Deutschen Bundestages dargestellt, warum der akademische Aufbau für Afghanistan jetzt so wichtig ist. Um eine selbsttragende, eigenverantwortliche Entwicklung von Land und Gesellschaft zu erreichen. Schlechtes Regieren, Korruption und eine unzureichende Leistungsfähigkeit der Verwaltung führen seit Jahren zu massiven Problemen. Einen zweistelligen Milliardenbetrag musste Afghanistan seit Beginn des Aufbaus bereits an Geberländer zurücküberweisen, weil die Mittel nicht termingerecht verwaltet werden konnten. Aber auch für die rechtstaatliche und demokratische Entwicklung ist noch viel zu tun, da viele Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte nicht kennen.

Der DAAD engagiert sich auch in anderen wichtigen Bereichen des akademischen Aufbaus. Seit 2002 laufen die Programme, sie sind wenig bekannter Teil des "Stabilitätspaktes Afghanistan" der Bundesregierung. Die Situation in Kabul war verheerend: Ein großer Teil der früheren Dozenten waren ums Leben gekommen oder ins Ausland geflüchtet. Sämtliche Ausstattungen gestohlen oder zerstört. Es gab keinen Strom und kein Wasser. Die verbliebenen Dozenten standen nach Angaben des DAAD fachlich auf dem Stand hiesiger Erstsemester. Es gab keine Literatur und keine Möglichkeit zu praktischer Übung. Im Rahmen einer Soforthilfe wurden afghanische Dozenten an deutschen Hochschulen qualifiziert sowie Sachmittel-Budgets für den dringendsten Bedarf in Studium und Lehre ausgegeben. Ab 2004 wurde die Zusammenarbeit vertieft und neben Kabul noch weitere Hochschulen einbezogen. Inzwischen laufen in Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen Programme in Agrarwissenschaft, Architektur, Biologie, Chemie, Dari, Germanistik, Geographie, Geologie, Informatik, Ingenieurwissenschaften, Kunst, Medizin, Pharmazie, Physik, Mathematik, Politik- und Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaft, Hochschulmanagement, Veterinärmedizin und Wirtschaftswissenschaften. Es werden Stipendien vergeben, Gastdozenturen in Afghanistan ebenso finanziert wie lokale Kurse in Afghanistan sowie Akademien und Studienaufenthalte für Dozenten und Studierende.

Ziel ist, so viele und so gute promovierte Dozenten und Dozenten auf international akzeptablen Master-Niveau zu erhalten, dass die Hochschulen Afghanistans aus eigener Kraft gute Studiengänge durchführen können. Nach Angaben des DAAD werden dafür sicher noch zehn Jahre benötigt.

Tatsächlich ist auch durch deutsche Hilfe viel erreicht worden. Doch mir geben die Worte von Tom Koenigs, dem ehemaligen UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan zu denken: Wir seien unter unseren Möglichkeiten geblieben. Immer noch seien Teile der Hochschulgebäude und der Ausstattung in einem miserablen Zustand -auch die Studentenwohnheime. Es gebe zu wenig ausländische Dozenten und zu wenig internationalen Austausch. Bildung ist entscheidend für die gesellschaftliche Entwicklung. Das gilt für Afghanistan nicht weniger als für Deutschland und jedes andere Land der Welt. Nur mit Bildung und mit Perspektiven auf ein gutes, eigenverantwortliches Leben kann auch der Fundamentalismus zurückgedrängt werden. Veränderungen in den Köpfen sind am Ende entscheidend. Das muss in unserem Afghanistan-Engagement noch deutlicher werden.

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