Für ein Grundrecht auf Bildung!

29.01.2009: Von Swen Schulz, MdB

Gibt es eigentlich ein Recht auf Bildung? Wenn es nach der SPD-Programmatik geht: ja. Aber ist es auch rechtlich verankert? In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt es in Artikel 26 Abs. 1: "Jeder hat das Recht auf Bildung." Doch was ist mit dem Grundgesetz? Ein Grundrecht auf Bildung ist nicht klar formuliert. Es wird zwar ein Recht auf Bildung aus allgemeinen Verfassungssätzen des Grundgesetzes abgeleitet, ist aber notwendig allgemein und nur wenig hilfreich bei der Durchsetzung von konkreten Anliegen.

Der SPD stünde gut an sich die klare Formulierung eines Grundrechts auf Bildung vorzunehmen. Ich schlage einen neuen Absatz 2 in Artikel 7 des Grundgesetzes vor: "Jeder Mensch hat das Recht auf freien und gleichen Zugang zu Bildung. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, dass jeder ohne Rücksicht auf seine Herkunft und wirtschaftliche Lage seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend gefördert wird."

Das Grundgesetz formuliert vor allem Freiheits- und Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Gegen soziale Grundrechte wird eingewendet, der Staat habe nicht die (ausreichende) Verfügungsgewalt etwa über Arbeitsplätze oder Wohnungen, könne die Realisierung solcher Grundrechte nicht garantieren.

Natürlich ist richtig, dass der Staat nicht überfordert werden darf. Doch Freiheit lässt sich ohne soziale Grund- und Teilhaberechte nicht verwirklichen. Der Bildung kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie ist im Interesse des Individuums und darüber hinaus des Gemeinwesens: Ohne Bildung kann der Einzelne weder sich entfalten noch seine Mitgestaltungsaufgaben in der Gesellschaft erfüllen.

Die derzeitige Verfassungslage verpflichtet den Staat etwa, die bestehenden Hochschulkapazitäten gerecht zu verteilen. Doch es gibt keine Verpflichtung zur ausreichenden Versorgung mit Studien- oder Ausbildungsplätzen. Genau das halte ich für einen Fehler. Mit einer neuen Grundrechtsnorm sollten Bund, Länder und Kommunen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen verpflichtet werden, ausreichende und gute Bildungsangebote zu schaffen. Und im Bereich der Bildung verfügt der Staat über die Mittel dazu.

Natürlich könnte eine Änderung des Grundgesetzes nicht auf ein individuell konkretisierbares Leistungsrecht hinauslaufen. Es wäre zu weitgehend, wenn der Staat jeder und jedem Einzelnen "seine" Ausbildung, vielleicht noch am gewünschten Ort ermöglichen müsste. Das wäre tatsächlich eine Überforderung und im Übrigen eine durchdringende Verrechtlichung parlamentarischen Demokratie. Doch es gäbe die letztlich auch einklagbare Verpflichtung des Staates, das Bildungswesen so zu organisieren, dass es funktioniert und allen echte und die gleichen Bildungschancen gibt.

Die Sozialdemokratie hat einen anderen Freiheitsbegriff als etwa die Liberalen. Uns geht es nicht nur um die Freiheit von etwas, sondern um die Ermöglichung der Freiheit zum selbstbestimmten Leben. Dazu ist der Staat nötig und dazu ist ein optimales Bildungswesen von zentraler Bedeutung, das wusste die Arbeiterbewegung schon immer. Die Forderung nach Verankerung des Rechtes auf Bildung im Grundgesetz ist darum konsequent.

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