Auf der Suche nach linker Politik

27.03.2009: von Raed Saleh, MdA

In der aktuellen und akuten Krisensituation fragt jeder, der nach linker Politik sucht: Wie haltet ihr es mit der Privatisierung? Wie wollt ihr die Bankenkrise bewältigen und wie die internationalen Finanzmärkten bändigen? Zu Recht erwartet man von uns, dass wir zu diesen Fragen Antwort geben. Wer heute Politik machen will, muss stürmisches Wasser befahren. Die Finanzkrise und ihre Folgen beunruhigen weltweit unzählige Menschen. Viele haben den Glauben verloren, dass unser Wirtschafts- und Sozialsystem die Krise meistert. Das ist eine Gefahr - auch für unsere Demokratie! Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit machen Menschen anfällig für falsche Versprechungen. In dieser schwierigen Lage müssen sich die Demokraten beweisen. Das bedeutet für jede Partei, dass sie klare Konzepte auf der Grundlage ihrer Prinzipien entwickelt und dafür streitet. Die Sozialdemokratie steht in dieser demokratischen Auseinandersetzung für den sozialen Ausgleich! Das Handeln auch der deutschen Wirtschaftsführer, das zu der weltweiten Finanzkrise geführt hat, war und ist nicht nur verantwortungslos und gesellschaftsschädigend: Über Jahre hat auch das deutsche Kapital dazu beigetragen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen den Vermögenden und den Besitzlosen immer weiter öffnete. Nun werden die negativen Wirkungen dieses Deregulierungs- und Privatisierungswahns unübersehbar: Im Energiesektor hat sich ein Oligopol gebildet und Unsummen müssen für die Marktregulierung ausgegeben werden; die Deutsche Bahn expandiert in die ganze Welt, während sie in Deutschland das Schienennetz abbaut; viele Kommunen haben mit dem Verkauf ihrer Versorgungsbetriebe und städtischen Wohnungen ihren politischen Einfluss verloren. Das öffentliche Eigentum wurde den liberalisierten Finanzmärkten überlassen, die nun kollabiert sind. Auch wenn das Handeln der deutschen Manager nicht die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst hat, so haben sie doch über Jahre dazu beigetragen, dass der von der Sozialdemokratie gewollte soziale Ausgleich in das Gegenteil verkehrt wurde. Leider ist richtig, dass an diesem Prozess Sozialdemokraten beteiligt waren - und einige auch weiterhin beteiligt sind. Wir werben seit langem für europaweit geltende Kriterien zum Aufbau eines sozialen Europas. Jetzt ist die Zeit der Beratung endgültig vorbei. Unverbindlicher Appelle an Unternehmen und Banken helfen nicht. Wir werden dafür zu sorgen haben, dass Unternehmen und Banken wieder vertretbare und verantwortbare Entscheidungen treffen müssen. Unternehmen und Banken dürfen nicht weiterhin allein zum eigenen Vorteil agieren - sie sind Teil unseres demokratischen Systems. Wenn wichtige Teile versagen, geht das die ganze Gesellschaft an. Gefordert sind politische Grundsatzentscheidungen. Technokraten haben da nichts zu suchen! Um nicht falsch verstanden zu werden: Banken sollen Gewinne machen. Aber das Grundgesetz schreibt keine neoliberale Wirtschaftsordnung vor. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben erkannt, dass im Wirtschaftsleben nicht alles, was möglich ist, auch getan werden darf. Sie haben deshalb die Sozialbindung des Eigentümers gefordert. Wir müssen dafür sorgen, dass nach diesem Prinzip gehandelt wird. Wir dürfen uns nicht hinter Zuständigkeiten verstecken. Handeln nach sozialdemokratischen Prinzipien beweist sich auch auf der Ebene der Berliner Landespolitik. Mit dem Programm "Soziale Stadt" und dem Quartiersmanagement sorgen wir ganz konkret für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort in den Berliner Kiezen. Die Menschen dort kümmern sich oft in Eigeninitiative um den Erhalt ihres Kiezes. Sie brauchen aber unsere Unterstützung gerade in den sozialen Brennpunkten Berlins. Wir - die Berliner Linke - werden uns weiter für eine Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort einsetzen! Damit eng verknüpft ist die konsequente Fortführung der Integrationspolitik. Berlin lebt von den Einflüssen aller hier vertretenen Kulturen und Religionen. Ohne sie hätte Berlin nicht diese internationale Anziehungskraft! Die ist eine Chance, die wir nutzen müssen und nutzen werden. Gerade für Berlin gilt: Die Stadt ist nur zukunftsfähig, wenn alle Potenziale genutzt werden- unabhängig von Herkunft, sozialen Zusammenhänge, Sprache und Religion! Wer alle Fähigkeiten ausnutzen will, muss sie entwickeln. Noch immer aber dulden wir, dass große Teile der Bevölkerung von der Ausbildung ihrer Fähigkeiten und Begabungen ausgeschlossen bleiben. Um das zu ändern und allen die gleichen Chancen zu bieten ist der Ausbau des Bildungssystems erforderlich. Hier wird nicht genug getan. Wichtige sozialdemokratische Reformen drohen zu scheitern, weil wir die materiellen Voraussetzungen nicht bieten. Das beginnt bei kostenlosen und auch personell gut ausgestatteten Kitas, zu der alle Kinder ein unkompliziert auszuübendes Zugangsrecht haben müssen - unabhängig davon, ob die Eltern einen Arbeitsplatz haben oder nicht. Das setzt sich fort bei der individuelle Förderung in allen Berliner Schulen in kleinen Klassen und endet auch bei zu guten Ausbildungs- und Hochschulplätzen nicht. Lebenslanges Lernen erfordert ein neues System der Fortbildung. Wir müssen auch Aufstiegsmöglichkeiten für die schaffen, die in dem bisherigen, stark sozial benachteiligenden Bildungswesen aufgewachsen sind. Eine dauerhafte Querschnittsaufgabe ist die "gender-Politik". Dabei versteht sich "gender-Politik" nicht als Einbahnstraße. Frauen und Männer werden in wichtigen Lebensbereichen benachteiligt und ausgegrenzt. Das betrifft den Zugang zu bestimmten Berufen, die Bezahlung oder den Privatbereich. Oft herrschen gegenseitige Voreingenommenheiten vor - bis heute! Wir sorgen für eine umfassende Gleichstellungspolitik ohne Scheuklappen. Immer deutlicher erweist sich die Umweltpolitik als Motor - und nicht als Bremse - einer zukunftsorientierten Wirtschaft. Die CDU/CSU verweigert sich entgegen ihren Beteuerungen dieser Politik. Das Scheitern des Umweltgesetzbuches bedeutet einen bitteren Rückschlag auf Bundesebene. Berlin dagegen betreibt Umweltpolitik erfolgreich wie kaum ein anderes Bundesland. Diese Politik werden wir fortsetzen. Mit der Umweltzone haben wir einen guten Start gemacht. Mit Sanierungen von baulichen Altbeständen nach Umweltschutzgesichtspunkten machen wir weiter. Liebe Genossinnen, liebe Genossen, Ein Grundsatz der Sozialdemokratie darf nicht verwässert werden: Wir sind die Partei, die sich für die Schwächeren in der Gesellschaft einsetzt. Wir sind der Anwalt für die, die ihren Platz in unserer Gesellschaft noch nicht gefunden haben. Und das ist wieder ein hoher Anteil an der Bevölkerung. Es wird in den kommenden Jahren eine wichtige Aufgabe sein, diese Bevölkerungsgruppen zu aktivieren und zu mobilisieren. Die Sozialdemokratie ist wie seit langer Zeit nicht mehr, gefragt und gefordert. Als neues Mitglied im Sprecherkreis der Berliner Linken bedrückt mich die Spaltung der Linken in "Donnerstagskreis" und "Berliner Linke". Ich weiß, dass diese Teilung in beiden Gruppen als Schwächung empfunden - und zunehmend - bedauert wird. Die Linke insgesamt kann auf die Kraft dieser Gruppen nicht leicht verzichten, wenn sie die treibende Kraft im Landesverband Berlin der SPD bleiben will. Ich sehe es als meine Aufgabe an, die Arbeit dieser beiden Gruppen besser zu verzahnen. Ideal wäre die Fusion dieser beiden linken Motoren innerhalb der Berliner SPD. Linke Politik ist unbequeme Politik. Umso fester und einiger muss sie betrieben werden. Es geht hier nicht um uns - und auch nicht allein um das Wohl der Berliner SPD. Unser Land, unsere Gesellschaft, unsere Demokratie verlangt nach linker Politik. Sie ist notwendig wie in den Zeiten, in denen die Sozialdemokratie gegründet wurde und in den Krisenzeiten, die sie durchlebte. Nicht immer haben wir das Mandant möglich Beste geleistet. Wir dürfen nicht versagen. Geschlossen und einig müssen wir für unsere Ideale und Werte streiten. Euer Raed Saleh, MdA

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