BIH – gutes Risikogeschäft oder schlechter Immobiliendeal?

23.12.2010: Von Mark Rackles, stellvertretender Landesvorsitzender

Den offenbar möglichen Verkauf der landeseigenen Berliner Immobilien-Holding (BIH) kann man aus zwei sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und bewerten: einerseits könnte es um die – vermeintlich abschließende – Beendigung des Berliner Bankenskandals pünktlich im Wahljahr 2011 gehen, andererseits könnte es aber auch um den Verkauf von 41.000 Mieteinheiten gehen. Konzentriert man sich auf die knapp 39.000 Wohneinheiten, von denen sich 20.000 in Berlin befinden, dann wäre es eines der größten anstehenden Immobiliengeschäfte in Deutschland.

Auch aus linker Sicht hat der Abschluss des Bankenskandals (der nicht unwesentlich in der bekannten neoliberalen Logik „Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren“ gründete) einen hohen politischen Wert. Dieser Wert ist aber kein Wert an sich, sondern in enger Verbindung mit dem Preis und den Folgewirkungen zu sehen. Zudem muss bei der Bewertung berücksichtigt werden, welche horrenden Beträge die öffentliche Hand bislang bereits aufgebracht hat und welche Risiken zum jetzigen Zeitpunkt effektiv noch auf der BIH lasten bzw. mittelbar dem Land angelastet werden können.

Es geht um sehr viel Geld, um sehr komplizierte rechtliche Konstruktionen, erhebliche Garantien aus Bürgschaften und Patronaten sowie um einen relevanten Wohnungsbestand. Zudem geht es um eine ausgesprochen politische Materie, über die bereits ein Senat gestürzt ist/ wurde. Es ist daher nicht nur legitim sondern im Sinne eines verantwortlichen Umgangs mit öffentlichen Mitteln und Vermögen notwendig, einen vermeintlichen Verkaufsdruck und die Bedingungen und Folgen eines Verkaufs kritisch zu hinterfragen.

Wenn der Nachweis erbracht wird, dass mit der BIH aus den Risiken der Haftungsübernahme dauerhafte und erhebliche Belastungen für den Berliner Landeshaushalt entstehen, so wird man sich kaum der Frage entziehen können, warum uns der Besitz an (dann offenbar strukturell defizitären) Immobilienobjekten mehrere Hundert Mio. € pro Jahr sein soll; Gelder, die uns dann bei Bildung, Jugend und sonst wo fehlen. Das wäre angesichts der heterogenen Bestände und der Tatsache, dass es sich nicht um typische Sozialwohnungen handelt, wohl eher kritisch zu sehen. Herr Dr. Nussbaum lässt sich in den Medien mit „horrenden jährlichen Kosten“ für das Land Berlin zitieren; es werden Beträge zwischen 150 und 400 Mio. € Schaden pro Jahr genannt.

Und hier fangen dann die Fragen an.

Trotz mehrmonatiger Bemühungen und trotz schriftlicher Fragen auf Ebene der Parteiführung bzw. Hauptausschussmitglieder zu den Bereichen „Werthaltigkeit der BIH“, „Risikohaltigkeit der BIH“ und „Rentabilität der BIH“ waren konkrete Zahlen von der Finanzverwaltung nicht zu erhalten. Im Kern ging und geht es um die Frage, ob die BIH zwischenzeitlich durch die massiven Kapitelzuflüsse des Landes Berlin nicht eher ein eingeschränktes, mittelfristig handhabbares Risiko für das Land darstellt und die Werthaltigkeit des Konzerns deutlich angestiegen ist. Somit wäre ein „Fortführungsszenario“ ggf. auch finanzpolitisch vertretbar.

In diesem Sinne könnten man auch die aktuelle Bilanz zum Geschäftsjahr 2009 lesen, der zu entnehmen ist, dass die BIH über ein sehr hohes Anlagevermögen (Grundstücke/ Bauten) verfügt, Ende 2009 den Kassenbestand und Guthaben gegenüber 2008 fast verdoppelt hat (knapp 150 Mio. €), die Mieterträge 2009 um knapp 21% gesteigert werden konnten, der Bilanzverlust deutlich abgesenkt und das Eigenkapital deutlich aufgestockt werden konnte. Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und sonstige Verbindlichkeiten konnten 2009 von 191,2 Mio. € auf 1,2 Mio. € bzw. von 802 Mio. € auf 322 Mio. € gesenkt werden. Zentral auch der sehr deutliche Abbau der sog. Haftungsverhältnisse (hier steckt das Land Berlin drin): von 2008 auf 2009 wurde die Haftung von 12,87 Mrd. € auf 8,411 Mrd. € reduziert. Insbesondere die Bürgschaften/ Gewährleistungsverträge reduzierten sich von 3,86 Mrd. auf 0,934 Mrd. € (!), die Patronate von 5,4 Mio. € auf 0,8 Mio. €. Wohlgemerkt: das sind die Daten aus dem offiziellen und testierten Geschäftsabschluss der landeseigenen BIH.

Bedenkt man zudem, dass es sich offenbar nicht um eine Ansammlung überwiegender „Schrottimmobilien“ (Dr. Nussbaum) handelt, dann steht die Frage sehr drängend im Raum, was der Immobilienbestand der BIH effektiv wert ist. Der Verweis auf vereinzelte Investitionsruinen oder leerstehende Gewerbeimmobilien kann da nicht befriedigen, da die ganz überwiegende Zahl der Objekte offenbar vermietete Wohnimmobilien sind.

Nachdem der Landesparteitag am 13. November 2010 einen Verkauf der BIH abgelehnt hat und die Sicherung des Berliner Wohnungsbestands beschlossen hat, erstaunt es etwas, dass wenige Tage später mit Hochdruck das gegenteilige Modell eines vollständigen Verkaufs aller Bestände intern und seit einigen Tagen auch öffentlich vorangetrieben wird. Es war Michael Müller, der noch vor dem Landesparteitag Anfang November im heftigen öffentlichen Schlagabtausch mit dem Finanzsenator erklärte, dass der Senator ohne ein vertraglich abgesichertes Vorkaufsrecht für die 20.000 Berliner Wohnungen den „Verkaufsvertrag gar nicht erst im Landesparlament vorzulegen braucht“. Nun sind es Michael Müller und Dr. Nussbaum in ungewohnter Eintracht, die den laut Tagesspiegel „ausgehandelten Kaufvertrag mit dem Investor Altyon“ bereits am 11. Januar 2011 zur Beratung in die Fraktion bringen wollen.

Zum Investor Altyon hält die Immobilien-Zeitung.de aktuell u.a. fest: „[…] Zuletzt hatte es offenbar nur noch Verhandlungen mit der Londoner Investmentgesellschaft Altyon gegeben. Der Opportunist von der Insel war bereits im Sommer als wichtigster Gesprächspartner genannt worden. Dass es noch zu keinem Zuschlag gekommen ist, hängt offenbar damit zusammen, dass Investoren das Risiko scheuen, das mit dem Kreditvolumen der BIH im Umfang von mehr als 4 Mrd. Euro verbunden ist. Altyon war erst 2009 gegründet worden, spekuliert vor allem auf Notverkäufe und erwartet Renditen (IRR) von mindestens 12% im Jahr.“(Immobilien-Zeitung.de vom 20.12.2010)

Diese Renditeerwartung passt gut zu den Ausführungen im aktuellen BIH-Geschäftsbericht, dem zu entnehmen ist: Der deutsche Wohnungmarkt verzeichne „deutlich gesteigertes Investoreninteresse“, insbesondere bei großen institutionellen Investoren. Insbesondere in Städten mit anziehender Nachfrage und geringen Neubauniveau zeichne sich „weitere Angebotsverknappung und damit steigende Wohnungsmieten ab“ (Bilanz 2009 Seite 1).

Vor dem Hintergrund des Unwillens oder Unvermögens der Finanzverwaltung, das effektive Risiko für das Land zu beziffern und zu belegen, angesichts der BIH-Bilanz als einziger verlässlicher Quelle und der wohnungs- und mietenpolitischen Dimension einer BIH-Verkaufsentscheidung hat sich die Berliner SPD-Linke (BL) am 18. Dezember 2010 gegen einen Verkauf ausgesprochen und die LPT-Linie bekräftigt, die mindestens eine Sicherung der Berliner Immobilienbestände in öffentlicher Hand fordert. Warum dies eine „inakzeptable, verantwortungslose Haltung“ der BL sein soll, wie dies Fritz Felgentreu presseöffentlich erklärt, bleibt das Geheimnis der Abgeordnetengruppe um Annette Fugmann-Heesing, die sich wahrscheinlich treu geblieben ist und öffentlich Eigentum per se für verantwortungslos hält.

Wer verantwortlich über den vermeintlichen Verkaufsdruck und die BIH-Verkaufsoption entscheiden will, muss das „Fortführungsszenario“ der BIH in öffentlicher Hand zum Ausgangspunkt der Überlegungen machen. In diesem Szenario müsste die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine strategische Bewertung der Fonds-Wohnungsbestände vornehmen und klären, in welcher Trägerschaft (städtische Wohnungsbauunternehmen, Genossenschaftslösungen etc.) und mit welchen Beständen der sozial- und wohnungspolitisch der größte Mehrwert zu erzielen ist. Immerhin stecken in der BIH erhebliche Mittel des Landes Berlin und werthaltige Immobilien drin.

Es bleibt nach wie vor die Aufgabe und Bringschuld der Finanzverwaltung, die möglichen finanziellen Lasten diese „Fortführungsszenarios“ einer langfristig rentablen Weiterentwicklung der BIH oder – gemäß LPT-Beschluss – die Kosten einer Herauslösung von (Berliner) Teilbeständen zu belegen. Erst wenn diese unverantwortlich hoch anzusetzen sind, wäre über die Bedingungen eines Verkaufs zu entscheiden, zu denen sicherlich prioritär die vollständige und wirksame Übertragung aller Risiken auf den Käufer, die umfassende und rechtlich belastbare Sicherung der Mieterrechte sowie ein vertraglich abgesichertes Vorkaufsrecht und ein angemessener Kaufpreis gehören.

Die Berliner SPD-Linke wird das Thema am 12. Januar zum Schwerpunktthema ihres Plenums machen. Interessierte GenossInnen sind herzlich eingeladen.

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