Weniger abwracken - mehr aufbauen! Für strategische Investitionen statt weiterer Konjunkturprogramme

08.05.2009: Beitrag von Swen Schulz, MdB und stellvertretender Sprecher für Bildung und Forschung

Angesichts der dramatischen Wirtschaftskrise überbieten sich die öffentlichen Forderungen nach mehr Konjunkturimpulsen. Energisch wird ein weiteres Konjunkturpaket verlangt. Und mit der erheblichen Aufstockung der Umwelt- oder Abwrackprämie für PKW um 3,5 Milliarden auf dann insgesamt 5 Milliarden Euro soll im Grunde schon ein Schritt in diese Richtung gegangen werden. Doch die Zeit der kurzatmigen Konjunkturprogramme ist vorbei, nun muss strategisch investiert werden, um die Krise zu einer durchgreifenden Modernisierung zu nutzen. Denn jedes jetzt abgebrannte teure Strohfeuer raubt finanziellen Spielraum für nachhaltige Investitionen, die uns langfristig helfen.

Natürlich ist der öffentliche Druck enorm hoch. Umso wichtiger ist, einen kühlen Kopf zu bewahren - auch in Wahlkampfzeiten. Gerade angesichts der bestehenden Unsicherheit, welche staatlichen Handlungen welche Effekte haben, sollten wir uns auf Maßnahmen konzentrieren, von denen wir sicher wissen, dass sie richtig und wichtig sind. Und das sind in erster Linie: Investitionen in Bildung und Forschung sowie in die Energiewende. Die Bedeutung von Bildung und Forschung für die Volkswirtschaft muss inzwischen nicht mehr gesondert betont werden. Keine staatliche Investition bringt eine solche Rendite wie die ins Bildungssystem. Und gleichzeitig weiß gerade die SPD, die aus Arbeiterbildungsvereinen hervorgegangen ist, wie wichtig Bildung für Emanzipation und Gerechtigkeit ist. Im Hamburger Programm haben wir betont, dass Bildung ein Menschenrecht ist. Und darum unterstützen wir auch das beim so genannten "Bildungsgipfel" zwischen Bund und Ländern vereinbarte Ziel, in den nächsten Jahren die Ausgaben für Bildung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Erst wenn wir das erreichen und jährlich etwa 50 Milliarden Euro mehr investieren, haben wir die von der OECD attestierte Unterfinanzierung unseres Bildungs- und Forschungswesens behoben.

Es war eine sehr gute Entscheidung, im Konjunkturprogramm II einen Schwerpunkt auf ein Investitionsprogramm zu legen, das erhebliche Mittel in die Bildungsinfrastruktur leitet. Doch das reicht bei weitem nicht aus. Aber anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie insbesondere die Länder die nötigen zusätzlichen Ausgaben leisten können und welche Hilfe der Bund leisten kann, sollen mal eben 5 Milliarden Euro für die Abwrackprämie ausgegeben werden. Obwohl vollkommen unklar ist, welche Effekte auf mittlere Sicht für Wirtschaft und Arbeitsplätze tatsächlich erzielt werden. Zur Erinnerung: das ausgesprochen wirkungsvolle Ganztagsschulprogramm der Regierung Schröder kam auf gerade 4 Milliarden Euro.

Natürlich ist die Automobilbranche von besonderer Bedeutung. Doch wir dürfen es nicht dabei belassen, den Herstellern in aller Welt mit massiven Subventionen zu helfen ihre Produkte abzusetzen, während die gesellschaftlich und volkswirtschaftlich wirklich wichtigen staatlichen Handlungsfelder noch nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das gilt zumal angesichts der Tatsache, dass die deutschen Hersteller die Entwicklung von umweltfreundlichen Autos haben schleifen lassen und darum auch ohne Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten sind. Die Entwicklung zukunftsfähiger Automobile mit niedrigem Energieverbrauch und neuen Antrieben: das ist ein lohnendes Projekt, bei dessen Realisierung auch der Staat helfen kann. Wie bei den Investitionen in die Bildungsinfrastruktur sind auch hier bereits die ersten Schritte gegangen: 500 Millionen Euro sind im Rahmen des Konjunkturprogramms für die Förderung zukunftsträchtiger Fahrzeugantriebe vorgesehen. Doch auch das ist wohl kaum ausreichend. Ich schlage darum einen Vertrag, einen "Autopakt" von Staat und Automobilherstellern vor: die Forschungsförderung für umweltfreundliche Autos wird erheblich ausgeweitet, wird zu einem Schwerpunkt der Forschungspolitik des Bundes. Wenn deutsche Unternehmen weltweit die Spitzenreiter in dieser Technologie werden, hilft das erstens der Umwelt und zweitens sichert das langfristig das Überleben der Unternehmen. Im Gegenzug werden die Hersteller verpflichtet erstens selbst verstärkt in diese Forschung zu investieren und zweitens die Markteinführung neuer Modelle zu forcieren.

Und was ist mit der Bildung? Die ganztägige Bildung und Betreuung von Schülerinnen und Schülern ist ein wichtiger Bereich, in dem Deutschland trotz der Anstrengungen der letzten Jahre weiterhin großen Nachholbedarf hat. Alleine können die Länder das nicht schaffen. Ich schlage deshalb vor, dass der Bund den Ländern im Anschluss an das nun auslaufende Ganztagsschulprogramm ein Ganztagsschulprogramm II anbietet, Umfang: 5 Milliarden Euro. Denn der Aufbau von Ganztagsschulen sollte uns mindestens so viel Wert sein wie das Abwracken von Autos.

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