Der Amoklauf von Winnenden im Berliner Ethikunterricht

27.03.2009: Schilderungen einer Ethiklehrerin in einer Zuschrift an www.proethik.info

Einen Tag nach dem Amoklauf in Winnenden

Die Lehrer und viele Schüler in meiner Bucher Hauptschule sind betroffen. Sie fühlen Trauer, Wut, Angst. Aber es gibt auch Verdrängen und Abblocken- dies ist ja weit weg. kann uns nicht passieren. Dann ist da noch der 13-Jährige, der aus Frust über seine mögliche Umsetzung von einem Heim in eine andere Betreuungsform, der Schule androht, "das Gleiche zu machen, wie der Amokläufer..."

Heute habe ich in mehreren Klassen Ethikunterricht. Wir hören und lesen einen Brief, den wir nach Winnenden schicken wollen, sprechen über unsere Gedanken und Empfindungen. Der Redebedarf ist groß, vor allem bei den älteren Schülern. Immer wieder gehen auch Blicke zur Klassenzimmertür. Was, wenn diese Tür plötzlich aufgerissen würde? Wie groß muss das Leid derer sein, die jemanden verloren haben?

"Lasst uns an sie und die Toten denken", schlage ich der 9. vor. Einige Schüler wissen aus dem Fernsehen, was eine Gedenkminute ist. Sie erklären es den anderen. Auch dem, der da provokativ fragt: "Und was bringt das?" Manche kichern aus Unsicherheit, dann jedoch wird es so still, dass nur das Zwitschern der Vögel vor den Fenstern zu hören ist. Wie gut, dass wir diese Stunde gemeinsam als Klasse erleben dürfen. Das verbindet.

Wenn ich mit den Schülern in den kommenden Ethik- Stunden weiter die "Ehrfurcht vor dem Leben" thematisiere, weiß ich, dass ich mich als Christin unbedingt für den gemeinsamen Ethikunterricht aller Kinder und Jugendlichen einsetzen werde. In ihm erlebe ich, dass es wichtig ist, miteinander zu sprechen, unabhängig von den unterschiedlichen familiären oder kulturellen Wurzeln, Lebens- und Glaubenswelten. Mir wird durch den schmerzhaften Anlass erneut bewusst, welche Chance mein Unterricht für das gemeinsame Nachdenken und Reflektieren über das, was wirklich wichtig ist im Leben, bietet.

Gerade dieser Tage jedoch, da ich selbst nach Antworten suche, den Schmerz teilen und Trost spenden möchte, fühle ich mich gleichermaßen darin bestärkt, ein Angebot der 2. Schule, an der ich unterrichte, engagiert zu unterstützen. Sie möchte den meist atheistischen Schülern "Religion" als Neigungsfach anbieten. Möge die Begegnung mit der Wirklichkeit unseres Glaubens und der Botschaft, die ihm zugrunde liegt, deren Sicht auf das tolerante und verantwortungsvolle Zusammenleben im Großen wie im Kleinen zusätzlich weiten.

Elke Kaminsky

Lehrerin aus Berlin-Buch, die sich der Initiative "Christen pro Ethik" angeschlossen hat

Kontakt: elke.kam@freenet.de

erhalten: 16.03.2009

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