BL-Hintergrundgespräch zum Thema "Zukunft des Jobcenters"

15.06.2008: von Barbara Loth, stellv. Landesvorsitzende und BL-Sprecherin

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 20.12.2007 muss eine neue Struktur für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II gefunden werden, soweit diese als Arbeitsgemeinschaft organisiert ist. Das zuständige Bundesministerium hat einen "Ersten Vorschlag zu Eckpunkten für ein kooperatives Jobcenter" vorgelegt. Zu den Details einer möglichen Umsetzung enthält das Eckpunktepapier kaum Aussagen.

Das Bundeskabinett hat bislang keinen Beschluss hinsichtlich der künftigen Organisation der Erbringung von SGB II-Leistungen gefasst. In einem Hintergrundgespräch am 9.5.2008 haben wir uns mit der Frage befasst, was Ziel der Veränderungen aufgrund der Entscheidung des BVerfG sein sollte und ob das kooperative Jobcenter die richtige Lösung für ein Zukunftsmodell ist. Wichtigstes Ziel ist dabei, dass es zu keiner Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung der Situation der Menschen ohne Arbeit in unserer Stadt kommt , dh. sie benötigen Leistungen aus einer Hand, kompetente und zeitnahe Entscheidungen und die Berücksichtigung dezentraler Arbeitsmarktanforderungen. Ob dieses Ziel mit dem Konzept des kooperativen Jobcenters erreicht werden kann, erscheint derzeit jedoch noch fraglich. Ohne Kabinettsbeschluss auf Bundesebene einerseits sowie der Klärung entscheidender Fragestellungen für die kommunale/Landesebene besteht jedoch die Gefahr, dass Berlin sich auf ein Modell festlegt, dem später die gesetzlichen/finanziellen Grundlagen fehlen. In einer Erklärung der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus werden insgesamt 18 Punkte für unabdingbar klärungsbedürftig gehalten, bevor das Land Berlin der an gestrebten Umsetzung in Berlin zustimmen kann. Diese Bedenken teilen wir. Alternative Modelle wie die Kommunalisierung bzw. Übertragung der SGB IIAufgaben auf die Länder bzw. die umfassende Zuständigkeit des Bundes lehnen wir ab.

Das sogenannte "Optionsmodell", bei dem einige Kommunen im Rahmen der "Experimentierklausel" nach § 6 a SGB II als zugelassener Kommunaler Träger neben ihren originären SGB II-Aufgaben auch die SGB II-Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit wahrnehmen, darf nicht als Regelmodell entwickelt werden, weil damit die gesamtstaatliche Ausgleichsfunktion zwischen strukturstärkeren und strukturschwächeren Regionen aufgehoben wird, die erheblich zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland beiträgt. Eine umfassende Zuständigkeit des Bundes bei Aufgaben nach dem SGB II würde den Einfluss der Kommunen und Länder reduzieren. Vor allem könnten die sozialintegrativen Leistungen der Kommunen nicht effizient gewährt werden.

Die vom Deutschen Städte-und Gemeindebund vorgeschlagene Errichtung eines "Zentrums für Arbeit ( ZfA)" auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen Kommunen und Agentur für Arbeit scheint - für den Fall, dass dieses Modell verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt- die derzeit beste Lösung zu sein: Kommunen und Arbeitsagentur arbeiten auf gleicher Augenhöhe miteinander. Alle Leistungen können nach SGB II unter einem Dach und aus einer Hand erbracht werden. Diese Errichtung ist "einfachgesetzlich" möglich. Die Zentren für Arbeit würden die Arbeit der derzeitigen Jobcenter fortsetzen. Dabei sind folgende Anforderungen an die künftige SGB II - Organisation in Berlin zu stellen:

Anforderungen der Kunden:

  • Ein Antrag, ein korrekter Bescheid; Einhalten vorgegebener Bearbeitungsfristen.
  • Ein kompetenter Fallmanager, ebenso wie die Leistungsstelle erreichbar per Telefon/
  • Fax/ Mail. Weiterleitung und Bearbeitung im Vertretungsfall.
  • Programme/ Angebote und kompetente Fallmanager für bestimmte
  • Personengruppen (z.B. Behinderte, Hauptschulabbrecher, Migranten), nicht nur für U 25 allgemein.
  • Hilfe zur Arbeit (=Befähigung zur Arbeit, Qualifizierung).
  • Vermittlung in Arbeit statt in Beschäftigung.
  • Durchsetzen des Prinzips "Fördern und Fordern".

Anforderungen der Bezirke:

  • Aufbau einer Organisationseinheit mit dezentraler Entscheidungsstruktur.
  • Gleichberechtigtes Handeln der beiden Vertragspartner.
  • Kontrolle der kommunalen Mittel durch die Kommune (=BVV).
  • Eine Software für die gesamte Vorgangsbearbeitung, Klärung eventueller (Sozial-)
  • Datenschutzprobleme.
  • Einrichten einer Arbeitsgruppe/ Stabsstelle bei dem/der für Soziales/ Jobcenter
  • zuständigen Bezirksstadtrat/Bezirksstadträtin für Zuarbeiten und als Brücke zwischen Jobcenter und Bezirksamt sowie zur Koordination im Bezirk (Schule, Jugend usw.;
  • Aufarbeiten und Bereitstellen von Unterlagen für Jobcenter, BVV, BA, Presse;
  • Erarbeiten regionaler Programme).

Anforderungen der Beschäftigten:

  • Unbefristete Arbeitsverträge und einheitliche Bezahlung.
  • Eine Behörde, ein Personalrat. Klärung, ob ein Gesamtpersonalrat der Jobcenter
  • gebildet werden muss.
  • Kontinuierliche Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter bzw. der Arbeitsgruppen.
  • Entwicklung eines neuen Ausbildungsgangs (einschl. SGB VIII und XII,
  • sozialpädagogische Kenntnisse), Zusatzausbildung für den Beruf des Fallmanagers.

Die kommunale Kompetenz ist zu gewährleisten durch:

  • die Bereitstellung der benötigten Kräfte und Mittel,
  • Verträge und Zielvereinbarungen,
  • Steuerung, Sorge für einheitliches Handeln (z.B. Rundschreiben, Einrichtung
  • einer Koordinierungsgruppe),
  • Auflegen und Finanzieren von Landesprogrammen,
  • Information, z.B. über Finanzquellen für regionale Programme,
  • Klärung der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht und die Lösung von
  • Streitigkeiten.

Wir werden die weitere Diskussion in der Stadt kritisch begleiten.

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